In Kommunen ist der Staat erlebbar. In Kommunen arbeiten Menschen für Menschen, was Staat oder Verwaltung heißt, ist hier einfach erlebbare Wirklichkeit. Denn es funktioniert ja sehr viel, und bei aller Kritik am Zustand des Staates, die auch wichtig ist: Die kommunale Verwaltung arbeitet heute oft bereits am Staat von morgen, an konkreten Lösungen für konkrete Herausforderungen.

Das Problem: Allzu oft werden diese Lösungen nicht mit anderen Kommunen geteilt. Dadurch geht viel Innovationspotenzial verloren, viele gute Gedanken bleiben im Kleinen oder Verborgenen. Deswegen haben wir von Reform gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund ein Siegel für kommunale Innovation entwickelt. „Bewährt vor Ort“ zeichnet Lösungen aus, die eine nachgewiesene Wirkung haben und auch in anderen Kommunen umgesetzt werden sollten. In der ersten Runde wurden im Frühjahr 2024 sieben Lösungen ausgezeichnet.

Diese Lösungen reichen von leicht verständlichen Ausschreibungen über digitale Bürgerservices bis hin zu Kooperationen mit der Zivilgesellschaft oder der lokalen Wirtschaft. Es geht um detaillierte Fragen: Wie wird die Mehrwegangebotspflicht von Kommunen umgesetzt, wie gelingt eine bessere Abdeckung in der Notfallalarmierung oder um Praktiken in der Verwaltung, wie lösen neue Arbeitsweisen die Verwaltungssilos auf, wie gelingt das Ankommen von eingewanderten und geflüchteten Menschen?

Eine gute Idee reicht nicht


An vielen Orten klappen einzelne Sachen gut. Für mehr gute Erlebnisse ist es aber entscheidend, dass diese erfolgreichen kommunalen Projekte und Praktiken aktiv geteilt und verbreitet werden. So können mehr Menschen davon profitieren. Durch den Aufbau von Strukturen, die den Austausch bewährter Praktiken und die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden auch über Bundesländergrenzen hinweg ermöglichen, können wir gemeinsam eine bessere Zukunft gestalten.

Entscheidend ist: Die Informationen müssen ankommen. Aber zurzeit ist es fast unmöglich, für eine Kommune herauszufinden, wo es schon gute Lösungen für ein bestimmtes Problem gibt. Das liegt auch daran, dass man im Zweifel gar nicht weiß, was man gerade braucht. Es geht deshalb um einen umfassenden Bewusstwerdungsprozess, von Problemen, Herausforderungen, Lösungen. Dazu kommt: Viele Kommunen, die in einer Sache Vorreiterinnen sind, nehmen sich häufig gar nicht als so fortschrittlich wahr.

Transfer statt Best Practice


Für mehr Geschwindigkeit beim Verbreiten von Lösungen braucht es deshalb Struktur und Kapazitäten. Zahlreiche Best-Practice-Plattformen sind bereits gescheitert. In keiner Verwaltung dieser Welt gibt es Menschen, die zuerst auf eine Plattform gehen und auf gut Glück nach geeigneten Lösungen für ihr Problem suchen. Reduziert man den Vorgang auf das Eins-zu-eins-Nachbauen, entsteht der Eindruck, dass die Weitergabe von Konzepten und Expertise eine Einbahnstraße ist. Wenn man als Kommune ein Vorzeigeprojekt hat, das nun andere Kommunen kopieren wollen, bedeutet das erst einmal mehr Arbeit.

Was wäre also, wenn wir ein deutschlandweites Netzwerk an Lösungslotsen mit einer zentralen Lösungstransferstelle etablieren würden? Dieses Netzwerk bildet eine Infrastruktur, die bedarfsorientiert bereits bewährte Projekte und Ansätze in Kommunen verbreitet. Eine Lösungslotsin wäre für die Kommunen einer Region zuständig. Sie würde Bedarfe erfassen und nach passenden Lösungen suchen. Für besonders nachgefragte Lösungen könnte man Transferteams aufbauen. Das Konzept kann beispielsweise auf die existierenden Digitallotsen in Sachsen aufbauen und um eine gemeinsame, bundeslandübergreifende Plattform erweitert werden.

Oder was wäre, wenn Kommunen bewährte Lösungen im Kollektiv umsetzen würden? Beispielsweise könnte die Arbeitsweise „IQ – innovativ und quervernetzt der Stadt Karlsruhe“ von mehreren Städten oder Landkreisen gleichzeitig adaptiert werden. Beim Umsetzen würden diese Landkreise voneinander lernen – und auch Karlsruhe könnte von den neuen Erfahrungen profitieren. Kollektive Umsetzung hat das Potenzial, kommunalen Pragmatismus, den Aufbau von Expertise in der Verwaltung und das zielstrebige Umsetzen von guten Lösungen zu stärken.

Wenn eine Kommune ein Verwaltungsproblem auf dem Weg der Umsetzung gelöst hat, ist dieses Problem gleichzeitig auch für alle anderen Kommunen gelöst. Das Ergebnis wäre eine Community of Practice. Wenn wir solche Methoden nutzen und uns die entsprechenden Strukturen geben, die schnell und zielgerichtet die besten Lösungen aus Verwaltungen in die Fläche bringen, entsteht ein neues Vertrauen in den Staat und seine Umsetzungsstärke. Das ist die beste Verteidigung der Demokratie.

Dieser Artikel ist als Gastbeitrag am 10. Juli 2024 im Newsletter Tagesspiegel Background Smart City unter dem Titel „Kommunale Innovationen: Transfer ist Trumpf“ erschienen.

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The Bigger Picture

Was bedeutet es, wenn die Verwaltung wie ein Team arbeitet?

Eine Herausforderung staatlichen Handelns ist die Frage, ob der Staat liefert. Oder warum der Staat nicht liefert. Man kann das als „responsiveness“ beschreiben, also das Gefühl, dass da Menschen arbeiten, die verstehen, was die Gesellschaft will, was wir brauchen. Und wenn es hakt, wenn man merkt, dass da etwas nicht so funktioniert, wie es sollte, erkennt man oft, dass es an den Abläufen innerhalb der Verwaltung liegt – wie sie organisiert sind und wie falsche Prioritäten und Partikularismen die Abläufe behindern. Modul F ist ein Beispiel dafür, wie es anders gehen könnte; und verweist doch gleichzeitig auf die Dysfunktionalitäten im System: Wie können alle im Staat arbeitenden Menschen lernen, sich als ein Team Staat zu begreifen? Für diesen kulturellen Wandel müssen sich nicht nur Mitarbeitende aus Bund, Ländern und Kommunen als Kollegen begreifen, es müssen auch die Gräben zwischen Referaten und Abteilungen überwunden werden. Zuständigkeiten haben ihre Funktion, aber wenn eine risikoaverse Kultur des “Das ist nicht meine Zuständigkeit” übernimmt, verliert staatliches Handeln leicht an Dynamik. Spoiler Alert: Auch der Föderalismus hilft hier nicht wirklich weiter.

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