Was wäre, wenn der Staat wirkungsvolle und kollaborative Gesetze schreiben würde?

In einer Welt des ständigen Wandels stehen die Verwaltung und der Staat vor der Herausforderung, sich neu zu erfinden, um den Anforderungen der Zeit gerecht zu werden. Wir müssen deshalb die Grundlagen der Verwaltung und des Staates überdenken und neu gestalten. Ein zentraler Aspekt dieser Neugestaltung liegt in der Reform der Gesetzgebung, dem Herzstück der Ministerialverwaltung. Eine Staatsreform gelingt nur mit einer gleichzeitigen Gesetzgebungsreform.

Für eine lebendige, widerstandsfähige und gemeinschaftsorientierte Demokratie ist es wichtig, wie Gesetze entstehen, wessen Perspektiven und Bedürfnisse berücksichtigt werden, inwiefern umsetzende Institutionen in den Prozess einbezogen werden und wie digitaltauglich das zu entstehende Gesetz ist. Die Kunst der Gesetzgebung ist nicht nur ein Handwerk, sondern auch ein wesentliches Instrument unserer Demokratie.

Die Bundesregierung bringt über die Hälfte der Regelungsvorhaben in den Bundestag ein, wodurch Legist:innen – Gesetzesentwürfe verfassende Referent:innen – in den Bundesministerien das entsprechende Regelungsvorhaben entwerfen. Seit den Anfängen der Bundesrepublik Deutschland haben sich jedoch die Prozesse, Methoden und Kompetenzen zur Rechtsetzung kaum verändert. Dies führt zu einem dringenden Bedarf an zeitgemäßen Instrumenten und Fähigkeiten, um den Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden.

Als Juristin und Legal Designerin habe ich deshalb 2021 PublicLegalDesign gegründet, mit der Vision, in enger Zusammenarbeit mit Politik, Bundesministerien und der Zivilgesellschaft die Methoden und Kompetenzen zu entwickeln, die es braucht, um Recht für Bürger:innen bedarfsgerecht, zugänglich und verständlich zu machen. PublicLegalDesign bringt die notwendige Expertise und Experimentierfreude mit, um einen funktionierenden Staat für alle zu schaffen. Das Ziel ist es, ein Zentrum für gute Gesetzgebung zu schaffen, in dem neue Formen der Gesetzgebung entwickelt und erprobt werden.

Dabei setzen wir auf eine Allianz aus dem Maschinenraum der Verwaltung und der kreativen Energie der Zivilgesellschaft. Wir wollen ein Reallabor für eine bessere Form der Gesetzgebung werden – und gemeinsam die Zukunft unseres Staates gestalten.

Die gegenwärtige Situation im Gesetzgebungsprozess ist von verschiedenen Herausforderungen geprägt, die eine umfassende Reform dringend erforderlich machen. Ein oft unterschätztes Potenzial liegt dabei in der Entwicklung von Methodenkompetenz (PublicLegalDesign) im Gesetzgebungsprozess. Es gibt oft eine Neigung, sich ausschließlich auf juristische Aspekte zu konzentrieren, wodurch jedoch nicht-juristische Fähigkeiten und methodische Kompetenzen vernachlässigt werden. Die breitere Anerkennung und Integration dieser Fähigkeiten würde zu einer Verbesserung der Gesetze durch eine fundiertere Problem- und Wirkungsanalyse, eine effektivere Entwicklung von Lösungen und damit bedarfsgerechten, praxistauglichen und umsetzungsfähigen Gesetzen führen.

Zusätzlich fehlt es an einer systematischen Integration von frühen Beteiligungsinstrumenten im Gesetzgebungsprozess. Traditionelle Anhörungen bieten oft nur oberflächliche Einblicke und verhindern einen echten Dialog und eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Themen. Dadurch bleiben wichtige Erkenntnisse ungenutzt und die Legitimität der Gesetzgebung wird beeinträchtigt.

Eine der zentralen Schwächen liegt in der unzureichenden übergreifenden Planung einer Gesetzgebungsreform. Einzelne Vorhaben in der Gesetzgebungsreform existieren zwar, werden jedoch nicht zusammen gedacht und wirken daher nur in ihren Silos. Isolierte Maßnahmen und ineffiziente Orchestrierung der Kompetenzvielfalt und des Wissensmanagements behindern eine neue Reform. Oftmals fehlt es an einer ganzheitlichen Perspektive, die die Koordination zwischen verschiedenen politischen Initiativen erschwert. Trotz des reichen Erfahrungsschatzes und Fachwissens in verschiedenen Bereichen mangelt es deshalb an einer effektiven Zusammenarbeit und Koordination. Dies führt zu einer Verschwendung von Ressourcen und verhindert eine ganzheitliche Betrachtung der Herausforderungen. Eine neue Form des Regierens erfordert ressortübergreifende, kollaborative und sektorübergreifende Rechtsetzung, um den komplexen Herausforderungen unserer Zeit effektiv zu begegnen.

Die Frage lautet deshalb: Wie können wir den Übergang vom Modus des bloßen Reparierens hin zu einem Modus des systemischen Gestaltens in der Gesetzgebung vollziehen? Unsere Mission ist es, Instrumente, Methoden, Projekte und bewährte Praktiken zu skalieren und zu verbinden, um eine effektivere und ganzheitlichere Reform des Gesetzgebungsprozesses zu erreichen.

Im Zentrum dieser Bemühungen steht die Schaffung von Synergien zwischen bestehenden Initiativen. Durch die Verbindung von Innovationen können wir eine Dynamik erzeugen, die über einzelne Gesetzesvorhaben hinausgeht und das gesamte Gesetzgebungssystem transformiert. Das Ziel ist es, einen umfassenden Wandel im Gesetzgebungsprozess herbeizuführen, der zu bedarfsorientierten, umsetzbaren und gesellschaftlich akzeptierten Gesetzen führt.

Dafür ist eine ganzheitliche Betrachtung notwendig, unterstützt durch innovative Methoden und alternative Beteiligungsformate. Durch die Bildung einer Allianz aus verschiedenen Akteuren und Initiativen können die Synergien geschaffen werden, um eine koordinierte Herangehensweise an die Gesetzgebungsreform zu fördern. All das hat das Ziel, dass es Recht nicht nur auf dem Papier gibt, sondern dass man seine Rechte auch leben kann. Das macht am Ende die Staatsreform und eine Demokratie aus.

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Rojda Tosun ist Volljuristin und Visionärin im Rechtsdesign. Sie hat PublicLegalDesign gegründet, um rechtliche Innovationen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Rojda engagiert sich für soziale Gerechtigkeit und Vielfalt als Mitbegründerin mehrerer Non-Goverment-Organisationen (NGOs). Seit Mai 2024 ist sie Senior Advisor bei Re:Form.