Was wäre, wenn die Stadt smart wäre?

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Maral Koohestanian

Stadträtin in der Landeshauptstadt Wiesbaden

Auf den Punkt

Smart City

      • Eine intelligente Stadt bedeutet mehr als Daten und Digitalisierung.
      • Entscheidend ist ein ganzheitliches Verständnis von Politik.
      • Das Potenzial ist groß – auch für den Kampf gegen Rechtsextremismus.

Ich bin seit dem ersten Juli 2023 im Amt und leite in Wiesbaden ein ganz neues Dezernat: für Smart City, Europa und Ordnung. Wir wollen den Menschen näher bringen, was alles mit Smart City zusammenhängt: Denn eine intelligente Stadt bedeutet viel mehr als Daten oder Digitalisierung. Es bedeutet vor allem, die Stadt ganzheitlich und gemeinsam mit den Bürger:innen zu denken. Die Entwicklung hin zu einer smarten Stadt bedeutet für mich gelebte Demokratie.

Als Gesellschaft stehen wir vor großen Herausforderungen, und Resilienz ist dabei ein wichtiges Thema. Ein paar Beispiele: Wie kann sich die Stadt auf Extremwetterereignisse vorbereiten? Wie entwickelt man den Wirtschaftsstandort ohne große Verfügbarkeit von Gewerbeflächen weiter? Beim Smart-City-Ansatz geht es darum, dass die verschiedenen Akteur:innen innerhalb einer Stadt zusammenarbeiten – also raus aus den Dezernaten, alle sollen in den Austausch miteinander kommen. Das ist auch eine Frage der Kommunikation.

Entscheidend ist bei all dem der soziale Faktor – ist die Stadt grün, bietet sie den Menschen genug Raum, Wohnraum und vor allem lebenswerten öffentlichen Raum? Wie lebt es sich zusammen in dieser Stadt? Ganz wichtig ist: Wir dürfen uns trauen, weiterzudenken. Im europäischen Ausland passiert dabei schon viel mehr, da kann man als Stadt die Veränderungen vorantreiben und Innovationen testen: Super Blocks wie in Barcelona, Open Data wie in Amsterdam oder digitale Verwaltung wie in Estland. Die deutschen Kommunen sind da in einer Nachzügler-Rolle, von der wir jetzt profitieren können.

Manche Dinge können sich dabei übertragen lassen, manche nicht: Jede Stadt muss im Grunde für sich Smart City denken und dann schauen, wo sich passende Lösungen anwenden lassen. Dabei ist es wichtig, zu verstehen, was die Bedürfnisse der Stadt sind. Die Verwaltung ist hier nur der Enabler, der Ermöglicher. In Wiesbaden etwa haben wir City Labs umgesetzt, bei denen identifiziert wurde, was für die Stadt wichtige und notwendige Themen sind.

Das Potenzial ist dabei groß. Es geht ja eben nicht nur um smarte Straßenlaternen – ein Beispiel aus Wiesbaden, das einige Aufmerksamkeit erzeugt hat, ist das Videoident-Verfahren, das wir jetzt als erste Stadt bundesweit für die Anmeldung zur Eheschließung und die An- und Ummeldung des Wohnsitzes und bald auch für weitere Prozesse anbieten können. Dadurch wird vieles nicht nur einfacher – es entsteht auch ein anderes Vertrauen in die Stadt.

Wie wurde die Idee geboren? Ein Mitarbeiter hat digital ein Konto eröffnet und dabei das Videoident-Verfahren genutzt – und hat sich dann gefragt, warum das die Stadt eigentlich nicht macht? Die Idee ist also aus einer Eigeninitiative entstanden. Solche Initiativen müssen wir aktiv fördern: Wir müssen die Mitarbeiter:innen befähigen, die richtigen Ideen zu haben – und diese auch umsetzen zu können.

Wir erleben als Gesellschaft einen Vertrauensverlust in den Staat und ein Erstarken demokratiefeindlicher Kräfte – gleichzeitig bestätigt gerade erst wieder eine Studie, dass eine funktionierende Infrastruktur und wirksame Regionalpolitik dem Rechtsextremismus Einhalt gebieten können. Schnell Wirkung erzielen, das macht Spaß. Aber mehr noch: Vertrauen in staatliche Institutionen wieder aufzubauen, macht für mich als Demokratin noch mehr Spaß. So wird Smart City ein echtes Demokratieprogramm.

Maral Koohestanian leitet das Dezernat VII — Dezernat für Smart City, Europa und Ordnung der Landeshauptstadt Wiesbaden.

The Bigger Picture von Robert Peter

Was bedeutet es, wenn Strukturen aufgebrochen werden?

Die Rolle der Parteipolitik in der kommunalen Verwaltung wird viel diskutiert. Die Regierungsverantwortung bleibt oft in homogenisierten Gruppen. Dabei oft geäußerte Kritikpunkte: Kreative Ansätze finden zu wenig Platz, Entscheidungen werden nach politischen Kriterien getroffen, Experimente vermieden, Prozesse werden lieber bequem als agil gestaltet. Die Folge ist ein Mangel an demokratischer Dynamik und politischer Partizipation von Bürger:innen.

Was passiert, wenn wir diese gewachsenen Strukturen aufbrechen? Wenn vielfältige Stimmen und ungewöhnliche Ideen das Establishment herausfordern? Lokale Politik ist pragmatische Politik, ist die Suche nach Lösungen für die jeweilige Kommune. Durch neue Formate und einen dynamischen Parteienwettbewerb ist Verwaltung besser in der Lage, auf die Bedürfnisse und Herausforderungen der Bürger:innen einzugehen. Damit wächst das Vertrauen in die demokratischen Institutionen. Junge, demokratische und verfassungstreue Parteien können als Demokratie-Booster wirken.

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